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AMA / C1
SAISON 2022 / 2023

Voll reingehauen

AMA U15 - Berolina Mitte U15

7 : 1

Einerseits als Test, anderseits als Ausdruck meiner eigenen Unentschlossenheit rief ich Mitte der zweiten Halbzeit vier Freiwillige vom Feld. Zunächst fühlte sich niemand angesprochen, dann gab es erste Regungen, nicht unbedingt von jenen Spielern, die ich mir insgeheim erhofft hatte, aber im Grunde passten die Freiwilligen gut zum Bild des ganzen Teams, das ich mir an diesem vorletzten Spieltag machen durfte.

Die erste Formation brauchte etwa 16 Minuten, um fünf Tore zu erzielen, davon erneut drei Treffer nach Ecken. Mit fünf daraufhin neu ins Spiel gekommenen Spielern tat sich das Team schwerer mit dem Ausbau der Führung. Zur Pause wuchs das individuelle Begehren einiger Akteure gar ins Forsche und Vertikale. Jetzt wollten sich plötzlich alle am großen Tore-Buffet gütlich halten und ihre Teller vollladen. Die Spannung im Meisterschaftsrennen war längst einer leicht überheblichen Feierstimmung auf dem Platz gewichen. Da der Schiedsrichter zudem die unheilvolle Botschaft überbrachte, der Gegner würde beim Erreichen eines siebten Treffers das Spiel gern vorzeitig beenden, sah ich mich gezwungen, jeglichen Matchplan fallen zu lassen und das Spiel schweren Herzens dem Geratewohl seiner Eigendynamik zu überlassen.

War das noch mein Sport?

Die Eigendynamik schenkte uns zwei weitere Treffer sowie einen Gegentreffer, der mich durchaus ärgerte, da mir das Ziel, bis zum Saisonende hinten die Null zu halten, von der leicht verflachten Einstellung auf dem Platz genommen wurde. So respektlos geht man eigentlich nicht um mit einem köstlich bereitgestellten Partytisch! Ob ich die zehn vorab angekündigten „Kühe“ im Falle eines Gegentreffers und Nichterreichens des Ziels von den Spielern tatsächlich einfordern werde, weiß ich noch nicht. Höchstwahrscheinlich werde ich sie gegen einen progressiveren „Beep-Test“ eintauschen.

Klingt so etwa ein Text, der von einer Meisterschaft kündet, von einem tatsächlich erreichten und vollendeten Zweijahresziel mit zwei großartigen Aufstiegen hintereinander?

Ach, die Bedeutung von Meisterschaften und Aufstiegen ist ja weit geringer als das Maß des ganzen Aufwandes zum Erreichen eines solchen Ziels. Und im Grunde haben wir noch gar nichts bewiesen, denn die Reise geht ja umgehend weiter, die kommenden Herausforderungen stellen alles Erreichte schnell in den Schatten­. Dem Team kann man für den Augenblick ein sehr großes Lob zollen, es hat erreicht, was es erreicht hat. Es hat sich zweimal ganz nach oben gespielt, auch wenn es in keiner der beiden Spielzeiten an sein tatsächliches Limit gekommen wäre. Diese Grenze wird in der kommenden Saison bestimmt deutlicher aufscheinen, insofern will ich den Tag nicht vor dem Abend loben.

Was wir erreicht haben, kann uns niemand nehmen, doch bedeutender als die beiden Aufstiege wäre eine Fortsetzung der gemeinsamen Kontinuität bei optimaler Verbesserung jedes Einzelnen, egal ob bei uns oder in einem anderen Club oder Team. So jedenfalls die Idealvorstellung. In der Welt des Fußballs geht es ja immer weiter. Ein Titel oder Aufstieg ist immer nur eine kleine idyllische Insel im Meer der Weltumseglung.

Der Spieltag wurde indes überschattet von der Trauer über den tragischen und gewaltsamen Tod eines nahezu gleichaltrigen Berliner Spielers bei einem Frankfurter Jugendturnier eine Woche zuvor, der mich die ganze Woche über sehr nachdenklich gestimmt hatte. Ich zählte die Sekunden der Schweigeminute am Pokalabend der Profis, es waren genau sieben im Gegensatz zu der ganzen Minute, die wir schweigsam blieben und in der ich in den Zustand einer traurigen Gewissheit geriet, an diesem äußerst schmerzhaften Verlust eines jungen Lebens trügen weit mehr als nur zwei durchgeknallte explodierende Fäuste Schuld. In wie vielen Kinder- und Jugendspielen der letzten acht Jahre sah ich bei den Verantwortlichen am Spielfeldrand keinerlei mäßigendes Einschreiten, wenn es zu ruppigen Gangarten oder emotionalen Überhitzungen auf dem Platz kam? Fußball ist immer ein Spiegel des Gesellschaftlichen.

Ist das noch mein Sport?

Von den vor acht Jahren zum ersten Mal von mir begrüßten Spielern sind noch drei im Team, ein vierter kehrt zurück. Einige sind zu anderen Teams und Vereinen gegangen, andere über die Jahre zu uns gekommen und seitdem geblieben, eine Hand voll hat den Sprung ins NLZ geschafft, für manch einen ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Der Augenblick des Übergangs in den Herrenbereich rückt näher, mit ihm ganz andere Entwicklungspotentiale und Gewissheiten.

In den nächsten vier Jahren entscheidet sich, wer in seinem Leben dauerhaft im Sport und dem Fußball verhaftet bleibt oder sich nur noch indirekt mit ihm assoziieren wird. Viele werden bereits in vier Jahren den hohen Aufwand für diese Sportart nicht mehr an den Tag legen oder legen können. Manch einen werden die unschönen Seiten dieser an sich schönen Massenveranstaltung allmählich enttäuschen und desillusionieren. Andere gehen von sich aus neuen interessanten Dingen nach. Der eine oder andere wird auf hohem Niveau weiter kicken, die meisten anderen eher in die Täler des Freizeitsports auswandern, um sie je nach Lust und Laune mit präzisen Pässen und kleinen geschickten Körpertäuschungen zu kultivieren. Schön wäre es, wenn jeder zumindest regelmäßig Sport treiben würde, egal welchen. Und vielleicht dem einen oder anderen jüngeren Jahrgang das Kicken beibringt! Wenn dies das Ergebnis meiner langjährigen Bemühungen wäre, wäre ich mit mir und meiner Leistung sehr zufrieden.

Freilich werde ich niemals auf die wunderbaren Erinnerungen und das fette Buffet vom Tisch des wahren, echten und gemeinschaftlichen Erlebens verzichten wollen!

[25. Spieltag / Sa. 3. Juni 2023]


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7:1 (5:0)
(1x Levi, 2x Julius, 1x Bela, 1x Hasan, 1x Timo, 1x John )
Es spielten: Jamal, Noah, Jonas, Efe, John, Yasin, Luca, Bela, Hasan, Cem, Levi, Levin, Moritz, Felix, Julius, Timo, (Jaden & Arda)


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