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AMA / E2
SAISON 2017 / 2018

Wilde Kastanien

FC Victoria 89 E2 - AMA E2

3 : 5

"Als Muschelschale
Kommt aus den Bergen heraus
Der Mond des Herbstes!"

Kobayashi Issa


Eine Kastanie macht noch keinen Herbstmeister, aber aus der stacheligen Fruchtschale kullert schon mal eine glänzende Zukunftsperspektive hervor. Eine frische Kastanie ist ein schöner Handschmeichler und ein Symbol der Erneuerung, wenngleich sie auf einem Platz am Fenster oder in Ofennähe schnell vertrocknen kann. Man muss eine Kastanie gut pflegen und viel in die Hand nehmen!

Heute haben wir nicht für unser Punktekonto oder den besonderen Tabellenplatz gespielt, sondern um etwas viel Bedeutenderes. Es ging um eine Erfahrung des Möglichen! Wir können nun mit gesundem Selbstvertrauen an unsere eigene Stärke glauben, das ist der eigentliche Gewinn dieses Spieltages. Denn wer einmal einen großen Gegner schlägt, weiß, dass er ihn in Zukunft nicht mehr fürchten muss, darum geht es.

Man darf diese Erfahrung und das begleitende Glücksgefühl nicht mit Überheblichkeit verwechseln, die schnell aus zu eitlem Selbstvertrauen erwächst. Ein solches Spiel zu gewinnen, macht noch keinen Staffelsieger! Es zeigt lediglich, dass wir vor der spielstarken Viktoria 89 nun keine Angst mehr haben müssen. Auch sie spielen "nur" Fußball, wenngleich einen sehr beeindruckenden. Zwar haben sie zwei ihrer stärksten Spieler verloren, die zu Hertha BSC gewechselt sind - auf der Suche nach einem anderen und dem ganz großen Glück. Aber deshalb ist die Viktoria nun nicht gleich zu einer durchschnittlichen Allerweltsmannschaft zusammen geschrumpft, sondern spielt immer noch einen glänzenden und absolut attraktiven Fußball!

Wir allerdings auch! Anders gesagt, wir lernen dazu, wir werden immer sicherer und beständiger. Wir können nun auch ein solches von Zweikämpfen bestimmtes Spiel annehmen und beherzt erwidern, das haben wir bewiesen. Auch wir verfügen über kämpferisch und läuferisch starke Spieler und haben schnelle Spitzen und den einen oder anderen Alleskönner, der in dieser oder jenen Situation den entscheidenden Unterschied ausmachen kann. Doch gewonnen haben wir vor allem deshalb, weil jeder für jeden bis zur völligen Erschöpfung gerannt ist und wir in der Summe immer weniger Fehler machen. Ein bisschen Glück gehört sicherlich auch dazu, dennoch spricht die Statistik für sich. Wir gewannen beide Hälften jeweils mit einem Tor Vorsprung. Und in der zweiten drehten wir erneut einen relativen Rückstand, auch wenn wir absolut betrachtet, zumindest wenigstens gleich auf lagen. Gefühlt hatten wir sogar den einen oder anderen Torschuss mehr auf dem Zettel, auch wenn ich das nicht belegen kann.

Früh gerieten wir in Rückstand und wurden arg in die eigene Hälfte gepresst. Aber wir wehrten uns und suchten unsere Chance. Und als sie sich bot, stachen wir zu. Wir glichen aus und gingen sogar noch vor der Pause durch einen an Uwe Seeler erinnernden Kopfballtreffer in Führung. Zur zweiten Halbzeit hatten wir den hauchdünnen Vorsprung von einem Tor und setzen direkt nach dem Wiederanpfiff einen Konter - als ein Zeichen unserer nicht nachlassenden Präsenz und Leidenschaft: "Wir sind immer noch da, und wir sind gefährlich!"

Nicht immer sahen wir während der langen 50+3 Minuten gut aus, das müssen wir zugeben. Die Viktoria kann einem die eigenen Schwächen deutlich aufzeigen, in vielen Szenen waren sie mit dem Kopf und den Beinen schneller, wir liefen ihrem Spiel hinterher. Und doch schossen wir die entscheidenden Tore und verteidigten unseres, der Gegner traf jede Halbzeit einmal weniger. Unsere Tore entstanden auch nicht zufällig, sondern resultierten aus kurzen, nadelstichartgen Druckphasen. Wir warfen alles nach vorne, wenn sich eine Lücke bot, und stürmten mit allem, was wir hatten. Freilich ist jedes Spiel mit vielen kleinen Zufällen gefüllt wie ein Korb voller Waldpilze, und man kann nur hoffen, dass keine giftigen oder bitteren dabei sind. Denn ein bitterer Pilz kann schnell die ganze Pfanne verderben!

Jedes Spiel entwickelt seine eigenen Gesetze, und heute sprach uns der liebe Fußballgott viel Mut und Recht zu. Wir verwandelten einen Elfmeter, mussten aber auch selber einen einstecken. Zwei Elfmeter in einer Halbzeit? Das sagt schon etwas über die Gangart des Spiels aus. Es war sicher kein ruppiges oder unfaires Spiel, aber doch ein körperlich betontes, eine harte, verwischte Umrisslinie in jedem Zweikampf. Wie bei einer expressiven Zeichnung, untermalt von einem mit wilden Kastanien und stacheligen Fruchtschalen übersäten Rasen, dessen Außenbahn wir vor Beginn des Spieles noch freimütig gesäubert hatten. Aber solch ein kurioser Umstand gehört einfach mit zu einem Spitzenspiel und versüßt im Grunde nur die Erinnerung. Man muss eben Alles und Jedes annehmen, wenn man einen Gegner wie die Viktoria schlagen will. So ist das Leben! Die Wunden und Blessuren wurden letztlich nicht durch die stacheligen Nussbecher verursacht, sondern durch heftige Zusammenstöße in Zweikämpfen.

Vielleicht brachten uns diese Verletzungspausen sogar die nötige Luft zum Verschnaufen und den Gegner um seinen Rhythmus. Freilich ist es nicht sonderlich erbaulich, einen Spieler verletzt am Boden liegen zu sehen, mit blutiger Lippe oder geröteten Knöcheln, um dann mehrmals kurz hintereinander, fast hektisch, das Team umstellen zu müssen.

Es gab eine Phase in der zweiten Halbzeit, da drohte das Spiel zu unseren Ungunsten zu kippen. Die Viktoria kam noch einmal sehr stark auf, glich aus und hätte beinahe sogar erhöht. Aber dann setzten wir wieder einen von diesen pfeilschnellen Kontern, und dieses Mal traf er mitten ins Herz. Ein Tor, genau zum richtigen Zeitpunkt! Es geht nicht darum, wer es geschossen hat, sondern um den gemeinsamen Erfolg. Heute hat das ganze Team gewonnen und die Tore erzielt und vor allem: die Gegentreffer verhindert! Jene, die die Bälle letztlich vollenden, sind immer nur der Firnis auf unserem gemeinsamen Spiel. Unsere Eltern sprangen wie verrückt über das Kastaniengeröll, als der Ball ins Netz klatschte! Das beweist, dass wir auch hinter der Barriere ein großartiges Team sind!

Am Ende drückten wir sogar ansatzweise durchgehend auf das Viktoria-Tor. Da hatte sie zwar noch nicht aufgegeben, aber doch schon viel von ihrer Kraft und mentalen Stärke eingebüßt. Mit dem fünften Treffer sah dann auch der gegnerische Trainerkollege ein, dass ein Ausgleich nicht mehr in der Luft lag und pfiff das Spiel ab.

Ob wir nun verdient oder nicht unverdient gewonnen haben, darüber mögen die Spezialisten streiten. Ich jedenfalls schaue mir gern das nächste Spitzenspiel an - morgen um 10 Uhr:

Hürtürkel gegen Oranje!

[2. SPIELTAG / 23. September 2017]


***

3:5 (1:2)
(3 x Fynn, 1 x Timo, 1 x Ion )
Es spielten: Samy, Fynn, Kolja, Julius F., Albion, Timo, Luca, Ion, Gabriel, Levin


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TABELLE ANSCHAUEN
EINBLENDEN / AUSBLENDEN